Carl Adam Johann Zeller (1842-1898)
Carl Zeller komponierte sein Leben lang nur nebenberuflich, als Hobby sozusagen. Er arbeitete hauptberuflich als hoher Beamter im k.k. Unterrichtsministerium. Daher gibt es nur wenige Materialien über sein Leben. Auch sein früher Tod im Jahre 1898, knappe siebeneinhalb Jahre nach seinem großen Vogelhändler-Erfolg, hat dazu beigetragen, dass kein "Starkult" um ihn entstehen konnte, wie bei vielen anderen Komponisten seiner Zeit, z.B. Johann Strauß, Karl Millöcker oder Franz von Suppe.
Kindheit und Schulzeit in Sankt Peter in der Au
Carl Adam Johann Nepomuk Zeller wird am 19. Juni 1842 als einziges Kind des Wund- und Geburtsarztes Johann Zeller und seiner Frau Maria Anna Elisabeth (geb. Dierl) in St. Peter/Au im Haus Nr. 40 geboren. Sein Vater Johann Zeller stirbt ein halbes Jahr später und 1843 zieht der kleine Carl Zeller mit seiner Mutter zur Großmutter nach Biberbach. 1846 heiratet seine Mutter den Strengberger Arzt Ernest Friedinger und Carl Zeller übersiedelt mit 4 Jahren zu seinem Stiefvater nach Strengberg.
Da die Schule in Strengberg den Anforderungen der Eltern nicht entspricht, besucht Carl Zeller ab Herbst 1849 die zweiklassige Volksschule in St. Peter/Au. Dort wird er vom bereits über 70-jährigen Schulmeister Josef Brandstetter unterrichtet und wohnt auch bei diesem. Neben Josef Brandstetter unterrichtet dessen 1812 in Baumgarten in Oberösterreich geborene Vetter Karl Aichinger ab 1836 als Hilfslehrer.
Carl Zellers Mutter Maria Anna Elisabeth und der Stiefvater Ernest Friedinger besuchen ihren Sohn immer wieder, da sie das Chirurgat in St. Peter/Au neben dem Doktorhaus in Strengberg immer noch besitzen. Sie betreiben es mit ständig wechselnden Provisoren. Erst 1855 kauft die Gemeinde des Marktes St.Peter/Au das Haus Nr. 40 am Marktplatz. Mit sieben Jahren spielt Carl Zeller bereits auf der Orgel in der Pfarrkirche von St. Peter/Au, erlernt verschiedene Orchesterinstrumente und singt Sopran. Bei Messen singt er öfters am Chor Solo.
Als Hofsängerknabe in Wien
Im Alter von elf Jahren kommt Carl Zeller 1853 nach Wien. Wegen seiner schönen Stimme findet er Aufnahme als Hofsängerknabe in der weltberühmten Burgkapelle. In den vier Jahren als Hofsängerknabe geniesst er den Klavier- und Kompositionsunterricht des hochgeachteten Musiktheoretikers Simon Sechter, der ganze Musikergenerationen heranzog und auch Lehrer von Gottfried Preyer, Franz Grillparzer, Johann von Herbeck, Anton Bruckner und Franz Schubert ist.
Carl Zeller besucht das Gymnasium in Wien. Die Lehrer loben seine gespannte Aufmerksamkeit. Auch in den höheren Klassen lässt Zellers Eifer nicht nach. Das Löwenburg'sche Konvikt verfügt über ein eigenes kleines Orchester, welches täglich nach dem Abendessen musiziert und durch welches neben Symphonien und Ouvertüren der großen Komponisten auch erste Kompositionen einiger aktiven Hofsängerknaben zur Aufführung kommen, so auch Carl Zellers dritte Komposition das "Lied zu Ehren des Hl. Jakob" am 25. Juli 1858. Zeller dirigiert diese Aufführung selbst. Beim Violinunterricht wird Carl Zeller von Wenzel Bezdek mit "Sehr gut" beurteilt, wie ein Violinzeugnis von 1856 zeigt.
In der dritten Gymnasialklasse beginnt Carl Zeller zu kränkeln und im Juli 1856 diagnostiziert der Hofarzt Dr. Heiß eine langwierige skrofulose Augenentzündung. Der Arzt schlägt einen mehrwöchigen Erholungsaufenthalt bei den Eltern in Strengberg vor und betont, dass ein solcher Landaufenthalt zur vollen Herstellung der Augen unerlässlich sei. Zeller legt die Gymnasialprüfungen nach seinem Erholungsurlaub und den Ferien mit bestem Erfolg ab.
Im Schuljahr 1856/57 ist er wieder unter den Hofsängerknaben zu finden, aber in seiner Stimme kündigt sich schon der bevorstehende Stimmbruch an. Zeller selbst beklagt sich wiederholt über Stechen in der Brust beim Singen. Das Obersthofmeisteramt läßt darauf die physischen Beschaffenheit Zellers untersuchen und erklärt ihn für den Dienst als Hofsängerknabe untauglich. Carl Zeller verlässt im August 1857 die Hofmusikkapelle. Ein Stipendium von 300 Gulden auf Studiendauer sollen ihm seinen weiteren Lebensweg ebnen helfen. Carl Zeller gilt als einer der populärsten, aber auch unglücklichsten Hofsängerknaben, wie sein weiterer Lebensweg zeigt.
Matura und Studium
Nach seinem Ausscheiden aus der Hofmusikkapelle im August 1857 verbleibt Carl Zeller vorerst noch im Löwenburger Konvikt. Ab 1860 besucht er das Konvikt und Obergymnasium des Stiftes Melk und legt dort im August 1861 die Matura mit Auszeichnung ab. Zwischen 1862 und 1865 studiert Zeller in Wien Rechtswissenschaften und promoviert am 3. April 1869 in Graz zum Doktor der Rechte.
Um 1872 wohnt Carl Zeller in einer Wohnung im 2. Stock des Hauses seines Stiefonkels, des Kaufmanns Dominik Ritschel, in der Asperngasse 3 im 2. Bezirk in Wien. Das Haus in dem er bis ungefähr 1890 wohnt, ist leider vor Kurzem abgerissen worden. Es musste dem modernen UNIQA-Tower weichen. In seiner Studentenzeit in Wien und in den ersten Berufsjahren komponiert Carl Zeller zwei Liederspiele und viele Männerchöre, welche vom Wiener Akademischen Männergesangverein bei deren diversen Veranstaltungen zur Aufführung gebracht werden.
Heirat und Familie
Am 15. Mai 1875 heiratet Carl Zeller die Tochter des Wiener Schneidermeisters Wenzel Schwetz Anna Maria in der Schottenkirche in Wien. Als angesehene Persönlichkeit und wegen seines eleganten Äußeren ist Zeller in allen Kreisen der Gesellschaft sehr beliebt. Er gilt als schöner, intelligenter Mann mit guten Manieren. Er ist ein guter und natürlicher Erzähler, der seine Reden gerne mit geistreichen Einfällen schmückt, wie zahlreiche Freunde von ihm berichteten. Zeller kleidet sich gerne vornehm und tadellos, trägt oft einen Überrock mit Pelz und bei feierlichen Anlässen den Zylinder als Kopfbedeckung.
Carl Zellers erster Sohn Carl Wolfgang wird am 10. Februar 1876 in Wien geboren. Er studiert wie sein Vater Rechtswissenschaften und komponiert ebenfalls in seiner Freizeit einige einaktige Operetten. 1914 scheidet er aus dem Justizdienst aus und übersiedelt mit seiner 2. Frau Hermine nach Baden. 1916 übernimmt er von seinem Schwiegervater Ferdinand Schütze dessen Buchhandlung in Baden. Er leitet diese bis zum Jahr 1934. Ab ca. 1920 pflegt der Männergesangverein St. Peter/Au rege Kontakte mit ihm. 1927 ist er bei der Zeller-Feier als Ehrengast einige Tage zu Besuch in St. Peter/Au. 1942 verfasst er eine Biographie über seinen Vater. Carl Wolfgang Zeller stirbt 1965 im Alter von 89 Jahren in Baden bei Wien.
Carl Zellers zweiter Sohn Robert William Zeller wird am 30. Juni 1878 in Wien geboren. Auch er studiert Rechtswissenschaften. Er ist aber im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Carl Wolfgang nicht musikalisch tätig. Robert William Zeller stirbt bereits 1922 in Wien im 44. Lebensjahr.
In den Monaten Juli bis September verbringt die Familie Zeller ihren Urlaub viele Jahre hindurch als Gast des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes in Schlägl in Oberösterreich. Die Familie Zeller kommt am Ende des Schuljahres, da die Söhne Carl Wolfgang und Robert William in Wien das Gymnasium besuchen, mit der Eisenbahn nach Aigen-Schlägl. Auch der Textdichter Moritz Nitzelberger verbringt seine Urlaube gerne dort und gemeinsam gehen Zeller und er zur Jagd, wann immer sich ihnen die Gelegenheit bietet.
Beamter im Unterrichtsministerium
Nach seiner Promotion zum Dr. jur. in Graz im Frühjahr 1869 ist Carl Zeller zuerst an verschiedenen Gerichten tätig. 1873 tritt er mit 31 Jahren in den österreichischen Staatsdienst. Der fähige, sehr gewissenhaft und aus-auernd arbeitende Justizbeamte wird vom damaligen Unterrichtsminister von Stremayr als Ministerialkonzipist ins Ministerium für Kultus und Unterricht berufen. Bedächtig klettert Zeller die Karriereleiter im Ministerium hinauf. Er wird zuerst Vizesekretär, dann Sekretär, später Sektionsrat und zuletzt Ministerialrat. Nach dem Ausscheiden von Armand Freiherr von Dumreicher wird Carl Zeller mit dem Kunstreferat im Unterrichtsministerium betraut. Diese verantwortungsvolle Arbeit erfüllt er mit viel Fleiß und großer Ausdauer. Während seiner Dienstzeit im Unterrichtsministerium wohnt er in einer schönen und stattlichen Wohnung am Kärnterring Nr. 12 im ersten Bezirk von Wien.
"Der Staatsbeamte hat nichts, aber das hat er sicher". Diese Sicherheit muss für Dr. Carl Zeller etwas unwiderstehlich Verlockendes gehabt haben.
Erfolge als Operettenkomponist
1868 und 1869 komponiert Carl Zeller zwei Liederspiele für Solostimmen und Männerchor mit Klavierbegleitung. Ein halbes Jahrzehnt nach den erfolgreichen konzertanten Uraufführungen von "Szenen vom kölnischen Narrenfeste" und "Die Thomasnacht" durch den Wiener Akademischen Gesangverein betritt Carl Zeller die Welt der Operettenbühne.
Die beiden Liederspiele haben dem Komponisten eine große Anzahl von Musikfreunden zugeführt, Zellers Name beginnt in den Zeitungen genannt zu werden. Verleger und Theaterdirektoren werden auf sein musikalisches Talent aufmerksam. Sein erstes Bühnenwerk, die komische Oper in drei Akten "Joconde" wird 1876 im renommierten Theater an der Wien uraufgeführt und hat einen ausgesprochenen Erfolg. Die humorvollen Szenen, die vielen lyrischen Partien und die großen Doppelchöre gefallen dem Publikum. Bereits nach dem 1. und dem 2. Akt müssen die Mitwirkenden zwei Mal zusätzlich vor den Vorhang.
Carl Zellers zweites Bühnenwerk steht aber unter keinem guten Stern. Die komische Oper "Die Fornarina" findet keinen Wiener Theaterdirektor, der es einer Aufführung würdig erachtet. Nach langwierigen Verhandlungen wird sie 1879 im Theater am Gärtnerplatz in München uraufgeführt. Die Musik findet einstimmig und vollste Anerkennung, aber das Textbuch ist ein so arger Missgriff, dass Zeller das Werk nach der zweiten Aufführung zurückzieht. Ebenso wie "Die Fornarina" verschwindet die Operette "Die Carbonari" nach nur wenigen Aufführungen im Jahre 1880 für immer von den Theaterbühnen.
Seinen musikalischen Höhepunkt erreicht Carl Zeller 1886 mit seinem vierten Bühnenwerk der Operette "Der Vagabund" . Die Musik verrät ein feines Ohr für vokalen Klang, gute Stimmenbehandlung, wirksame Instrumentation und einen gereiften Blick für die Bühne. Leicht fliessende Gesangstexte und kurz und dramatisch gehaltene Dialoge runden das Werk ab. Diese Operette hat später auch in Amerika großen Erfolg.
Wenn Carl Zeller, neben Franz von Suppé (1819-1895), Johann Strauss (1825-1899) und Karl Millöcker (1842-1899), als vierter Operettenklassiker der "Goldenen Ära" gesehen wird, so hat wohl seine Meisteroperette "Der Vogelhändler" einen entscheidenden Anteil an dieser Wertschätzung. Diese 1891 uraufgeführte Operette ist zweifellos Zellers gelungenstes Bühnenwerk. Es besticht in der Ausformung des Orchestersatzes und Zellers Ensemblekunst, die im ersten Finale mit "Rosen aus Tirol" seinen Höhepunkt erreicht.
Bereits drei Jahre danach kommt 1894 das nächste Bühnenstück von Carl Zeller heraus, die Operette "Der Obersteiger". Ihr Erfolg liegt ebenfalls im Volkstümlichen, im Aufbau der beiden Finale und der geschickten Verwendung von Bühnenmusik.
Kurz danach legt Moritz West dem Komponisten ein neues Textbuch vor. Carl Zeller beginnt auch gleich Skizzen zur Operette "Der Kellermeister" zu entwerfen. Die Arbeit geht aber nach seinem Unfall nur mehr langsam weiter und kommt schließlich ganz zum Stillstand. Carl Zeller kann diese Operette nicht mehr vollenden. Johannes Brandl stellt sie nach Zellers Tod fertig.
Erbschaftsprozess, Krankheit und Tod
Carl Zeller verlebt seine letzten Jahre als schwerkranker Mann. Im Winter 1895 rutscht er auf dem Weg zum Parlament auf dem Glatteis aus und verletzt sich die Wirbelsäule schwer. Darauf setzt Muskelschwund ein und erste Krankheitserscheinungen treten auf. Sein linker Fuss hat keine Kraft mehr, Zeller stolpert und stürzt, auch ohne Anlass. Bald gibt es für ihn keine Jagd mehr, keine Ausflüge, für weitere Strecken muss er einen Rollstuhl benutzen. In die Sommerfrische fährt er auf einer Tragbahre. Zeller ist schließlich ab 1896 nicht mehr allein beweglich, er verbringt die letzten Jahre seines Lebens im Roll- und Lehnstuhl.
Carl Zeller zieht sich aus allen gesellschaftlichen Kreisen zurück und wird in einen Erbschaftsprozess verwickelt. Gegen ihn wird gerichtliche Anklage erhoben, vor Gericht zwei falsche Eide geschworen zu haben. Die Verhandlung findet jedoch in seiner Abwesenheit statt und er wird, obwohl er sich persönlich nicht verteidigen kann, schuldig gesprochen. Das Urteil wird jedoch auf die Nichtigkeitsbeschwerde seiner Gattin vom Obersten Gerichtshof aufgehoben, der zugleich anordnet, dass eine neuerliche Verhandlung in Anwesenheit Zellers abgehalten werden müsse. Zu dieser Verhandlung kommt es aber in Folge seiner schweren Krankheit nicht mehr. Am 31. März 1897 scheidet er aus seiner Stellung im Ministerium, nachdem er bereits gelähmt, nur mehr ein Scheinleben führt. An Händen und Füßen gelähmt, kann er nun auch fast nicht mehr sprechen, hat vorübergehende geistige Störungen und siecht so fast drei Jahre dahin. Daher wählt seine Familie dann auch 1897 Baden bei Wien als Urlaubsort, weil man dorthin mit der Bahn leichter kommt. In Baden bei Wien wohnt die Familie Zeller 1897 in der Weilburgstraße und 1898 in einem kleinen Haus in der Eugengasse 3. Am Mittwoch, 17. August 1898 abends stirbt Carl Zeller dort im Alter von nur 56 Jahren an einer Lungenentzündung.